Prostituierter

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Exkurs: der heterosexuelle Prostituierte
(Die verwendeten Namen sind natürlich Pseudonyme)

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Das Identitätskonzept und die sexuelle Handlungsstruktur der sich als ‚normal‘ bzw. heterosexuell definierenden Stricher unterscheiden sich in spezifischer Art und Weise von den anderen homosexualitätstypischen Intimitätsmustern. Daher lohnt es sich, auf diese Lebenssituationen in einem Exkurs gesondert einzugehen. In der im Anhang befindlichen Zusammenschau finden sich die fünf Fälle unter der Rubrik »Typus S«.

Der Zugang zum entsprechenden Milieu am Hamburger Hauptbahnhof gelang uns, indem sich ein Projektmitarbeiter als potenzieller ‚Freier‘ anbot. Die erste Kontaktaufnahme initiierte dann ein Jugendlicher mit der zurückhaltenden Frage, ob vielleicht Gesellschaft gesucht werde. Beide Parteien einigten sich dann schnell. Gegen Zahlung eines Salärs von DM 50 zeigte sich der junge Mann auskunftswillig. Die anderen männlichen Prostituierten konnten darauf­hin durch Weitervermittlung oder über die Beratungsstelle »Intervention« als Interviewpartner gewonnen werden (zum Rekrutierungsverfahren siehe im Anhang S. 172ff. das Kapitel »Die Auswahl der Befragten«).

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Intime Handlungsorientierungen      Zurück zum Inhaltsverzeichnis des Buches

Die große emotionale Distanz zur Homosexualität korreliert wie beim Gliedschwulen mit dem Bedürfnis, nur flüchtige und oberflächliche Sexualkontakte mit Männern zulassen zu wollen. Sexualpraktiken werden insbesondere dann abgelehnt, wenn sie gemeinhin mit Homosexualität in Verbindung zu bringen sind: Hierzu zählen Küsse - insbesondere Zungenküsse - genauso wie der rezeptive Analverkehr:

Tobias, 16 Jahre, ohne Ausbildung und arbeitslos: Blasen war mir zu ekelhaft, und in den Arsch ficken lass ich mich sowieso nicht.

Hendrik, 22 Jahre, Lackierer und arbeitslos: Ich würde mich nie von an­deren ficken lassen. Schmusen, ja, das hält sich noch in Grenzen, aber Küssen, erst recht Zungenkuss, das ist nicht. Da habe ich einen Ekel vor.

Fabian, 20 Jahre, ohne Ausbildung und arbeitslos: Ficken lassen hab’ ich mich noch nie in meinem Leben, und ich habe auch noch nie jemanden gefickt. Auch so perverse Spielchen wie Arschlecken oder so ein Kram, das mach’ ich nicht.

Kevin, 23 Jahre, Schlosser und arbeitslos: Ich habe mich auch noch nie ficken lassen. Deshalb nehme ich auch keine Kanaken, weil die nur ficken wollen. Und Küssen ist auch tabu. Da gab’s mal so einen Besoffenen, der wollte mich da ablecken. Ich denk’, ich spinn’. So etwas gibt’s bei mir nicht.

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Sexualität und Partnerschaft

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Parallel zu den prostitutiven Sexualkontakten leben die Jugendlichen ihre Part­nerschaften mit einer Frau. Diese heterosexuellen Beziehungen sind entsprechend den Handlungsorientierungen strukturell asymmetrisch ausgerichtet. Während der junge Mann sich das Recht herausnimmt, zeitgleich intime Kontakte mit anderen Frauen (und mit Männern) einzugehen, hat sich die Frau dem Treuediktat zu unterwerfen. Dominanz und soziale Ungleichheit garantieren dem männlichen Jugendlichen hier Handlungssicherheit. Die Jungen können erwarten, dass sich die Freundinnen unterordnen und den Partnerschaften eine gewisse Stabilität verleihen.

Patrick, 21 Jahre, Maurer und arbeitslos: Ich habe eine feste Freundin. Ich bin jetzt seit vier Jahren befreundet. I.: Die hattest du also die ganze Zeit, während du anschaffen gegangen bist? Patrick: Ja.

Hendrik, 22 Jahre, Lackierer und arbeitslos: Ich war dreieinhalb Jahre verlobt. (...) Ich hab dann keinen Bock mehr drauf gehabt und hab die Verlobung gelöst. Sie fing dann an zu trinken. Also, das war alles nicht mehr schön. I.: Wie lange ist das jetzt her? Hendrik: So ein halbes Jahr.

Kevin, 23 Jahre, Schlosser und arbeitslos: Das war ein nettes Mädchen, die sah echt klasse aus. Da haben sich dann immer andere Leute rangemacht. Wir sind zum Beispiel mal in ‘ne Kneipe gegangen und ich musste auf Toilette und als ich wiederkam, saß auf meinem Platz ein anderer Typ und hat sie angebohrt. Da hab’ ich gesagt: ‚Ey, das geht nicht. Das ist meine Freundin.‘ (...) Naja, ich glaub’, ich hab’ sie ein bisschen ausgenutzt, weil ich nicht wusste, wo ich pennen sollte. Dann hab’ ich immer bei ihr gepennt. Wir haben uns dann gestritten und ich hab’ eine neue Frau kennen gelernt, und dann war Schluss, von heute auf morgen.

Tobias, 16 Jahre, ohne Ausbildung und arbeitslos: Meine Freundin ist schon 18 Jahre alt und arbeitet. Und das ist ganz gut so, da auch ich dann immer Geld habe. Ich werd’ die erstmal richtig ausnehmen wie ‘ne Gans. Und wenn ich dann keinen Bock mehr habe, mache ich Schluss. Die schreibt mir sowieso immer so meterlange Liebesbriefe, und da habe ich keinen Bock drauf.

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